Interview mit Stefan Bogner, AK Salzburg PDF Drucken E-Mail

Interview mit Stefan Bogner, AK Salzburg

TT: Wie könnten Sie einem Menschen, der neu in Österreich ist, erklären, was die Aufgaben der Arbeiterkammer sind?

Stefan Bogner: Die Arbeiterkammer vertritt alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich, die per Gesetz Mitglieder sind. Sie setzt sich für den Schutz der Rechte der Beschäftigten ein. Und für deren soziale, wirtschaftliche, berufliche und kulturelle Interessen. Wir beraten unsere Mitglieder kostenlos zu verschiedensten im Alltag für sie wichtigen Themen.

Etwa bei Fragen und Schwierigkeiten rund ums Thema Arbeit: Zum Arbeitsverhältnis, der Arbeitszeit, dem Arbeitsvertrag oder zur Entlohnung. Wenn nötig nehmen unsere Expertinnen und Experten direkt Kontakt mit dem Arbeitgeber auf und verhelfen den Beschäftigten zu ihrem Recht. Und wir vertreten Mitglieder im Arbeitsrecht falls erforderlich kostenlos vor Gericht.

Die Arbeiterkammer berät und hilft aber auch in vielen anderen Lebenslagen: Wenn man arbeitslos oder krank wird. Wenn ein Kind kommt. Zum Thema Pension und im Konsumentenschutz. Etwa, wenn im Wohn- oder Mietrecht etwas nicht passt. Bei Fragen zu Handy-, Versicherungs- oder Leasingverträgen…

Nicht zuletzt schauen sich unsere Expertinnen und Experten unzählige Gesetze und Verordnungen genau an und prüfen deren Auswirkungen auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir achten darauf, dass die Beschäftigten gegenüber Staat, Politik und Wirtschaft nicht ins Hintertreffen geraten und fordern gute Rahmenbedingungen für Arbeit.

TT: Sie haben uns über das Video-Projekt von AK und FS1 „Flüchtling ist kein Beruf“ erzählt. Worum geht es dabei?

Stefan Bogner: Wir wollen in mehreren kurzen Clips zeigen, wie Integration durch einen Arbeitsplatz gelingen kann. Dazu sprechen wir am Arbeitsort mit geflüchteten Personen und machen ein Videoportrait der Interviewten. Das ist dann im Internet abrufbar, wird auf FS 1 ausgestrahlt oder kann bei unterschiedlichen Anlässen gezeigt werden.

Wir wollen so gelungene Arbeitsintegration und damit Integrationswege und -perspektiven zeigen.  Im Gegensatz zu den vielen negativen Meinungen in Medien und der Öffentlichkeit gibt es nämlich auch eine Menge Beispiele, wo die Eingliederung in unsere Gesellschaft funktioniert. Das gehört ebenso thematisiert.

Wir glauben, dass Integration leichter gelingen kann, wenn Migrantinnen und Migrantinnen nicht länger auf ihre „Flüchtlingseigenschaft“ reduziert, sondern als Kolleginnen und Kollegen und damit letztlich als die (zukünftigen) neuen Salzburgerinnen und Salzburger wahrgenommen werden.

TT: Manche meinen, Zuwanderer drücken die Löhne? Unter welchen Voraussetzungen ist das so und was muss getan werden, um das zu unterbinden?

Stefan Bogner: Das muss man differenziert sehen. Es gibt Unternehmen, die mittels Migration versuchen, die Löhne niedrig zu halten. Gerade im Dienstleistungssektor, etwa im Tourismus,  ist es kaum möglich, die Arbeitsleistung ins Ausland auszulagern. Hier werben manche Firmen verstärkt Migrantinnen und Migranten an, weil sie davon ausgehen, dass diese Arbeitnehmer unter schlechteren Bedingungen arbeiten. Um das zu verhindern, gehören vor allem prekäre Arbeitsbedingungen bekämpft. Und jene, die von prekärer Arbeit profitieren öffentlich stärker kritisiert.

Je mehr Menschen als „Billiglöhner“ verfügbar sind, desto schwieriger wird es aber, bessere Arbeitsbedingungen und Einkommen durchzusetzen. Das ist etwa dann der Fall, wenn nahe beieinander liegende Länder ein sehr unterschiedliches Wohlstandsniveau haben. Dann können zusätzliche Maßnahmen nötig werden, um den Arbeitsmarkt zu schützen.

In jedem Fall gilt: Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen gut über ihre Rechte informiert werden. Migrantische Beschäftigte auch dort, wo sie ohne Papiere oder etwa als Scheinselbständige angestellt werden. Und natürlich braucht es effektive staatliche Kontrollen beim Verdacht auf Lohn- und Sozialdumping. Auch gezielte Unterstützungsangebote wie die Anlaufstelle UNDOK zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender helfen.

TT: Schlagwort Arbeit 4.0 (Digitalisierung): Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus und was sind die Herausforderungen?

Stefan Bogner: Fest steht für mich aus heutiger Sicht lediglich, dass es entlang der Chancen und Risiken, die mit zunehmenden Digitalisierungsprozessen einhergehen, sowohl Gewinner und als auch Verlierer geben wird.  Daher ist für mich die Frage der politischen Gestaltung von Digitalisierung von zentraler Bedeutung für die Zukunft.

Damit die Digitalisierung positive Effekte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat, müssen sie an den Produktivitätsgewinnen teilhaben. Gleichzeitig müssen die Chancen des sich abzeichnenden Strukturwandels auch dazu genutzt werden, um gute Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Wenn menschliche Erwerbsarbeit tatsächlich in Zukunft immer mehr automatisiert wird, müssen wir außerdem umso mehr Verteilungsfragen stellen: Wie können wir den technischen Fortschritt dazu nutzen, um innovative Formen der Arbeitszeitverkürzung umzusetzen? Wie können Arbeitseinkommen durch die Lohnpolitik an Produktivitätsgewinnen beteiligt werden?

Genauso müssen wir uns aber auch die Frage stellen, wie sich negative Effekte abfedern lassen – etwa durch den Ausbau eines inklusiven Sozialstaats, Regulieren neuer Arbeitsformen oder verstärktes Bereitstellen von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (bei gleichzeitiger finanzieller Absicherung).

TT: Was muss getan werden, um neu angekommene Menschen beim Einstieg ins Berufsleben zu unterstützen?

Stefan Bogner: Das wichtigste ist ein guter Spracherwerb, am besten von Anfang an und mit Rechtsanspruch auf Kurse. Fast genauso wichtig ist, möglichst frühzeitig festzustellen, welche Kompetenzen und Ausbildung die Menschen mitbringen und dass diese rasch anerkannt werden. Dann können bei Bedarf Qualifizierungs- und Bildungspläne erstellt sowie weitere Maßnahmen gesetzt werden.

Integration in den Arbeitsmarkt ist wichtig – aber sie muss auch qualifiziert und nachhaltig erfolgen. Ansätze dafür lassen sich im so genannten „Integrationsjahr“ finden. Allerdings will die Bundesregierung dafür ab 2019 keine Mittel mehr bereitstellen. Auch möglichst häufiger und intensiver Kontakt mit der Bevölkerung hilft bei der Erwerbstätigkeit – das sollte gefördert werden. Leider ist oft das Gegenteil der Fall: Separation. Nicht zuletzt können Mentoring-Programme beim Berufseinstieg helfen.

TT: Welche Bedeutung hat für Sie der Erste Mai?

Stefan Bogner: Der Tag der Arbeit hat eine sehr hohe symbolische Bedeutung für mich. Die Mai-Feiern haben als Vorgeschichte einen Streik zur Durchsetzung des 8-Stunden-Tags. Er endete in einer gewalttätigen Polizeiaktion. In Zeiten, wo manche politischen Kräfte den 12-Stunden-Tag einführen wollen, ist dieser Protest- und Gedenktag wichtiger denn je.

 


veröffentlicht in Talktogether Nr. 64/2018

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