Jagd auf AsylwerberInnen PDF Drucken E-Mail

ASYLGESETZ: JAGD AUF ASYLWERBER/INNEN:

Von Dr. Michael Genner, Asyl in Not

Das Innenministerium hat, wie erwartet, einen Entwurf zur Änderung des Asylgesetzes, des Bundesbetreuungsgesetzes und des UBAS-Gesetzes vorgelegt, der nichts anderes darstellt als einen dreisten Anschlag auf den Rechtsstaat. Der Zeitpunkt war gut gewählt: die Öffentlichkeit beschäftigt sich derzeit nur mit der Pensionsreform; im Innenministerium hoffte man daher, den Antiasyl-Coup quasi unbemerkt über die Bühne zu bringen. Das neue Gesetz bringt insgesamt weniger Rechte für die Flüchtlinge und mehr Befugnisse für die Polizei. Den "Erläuterungen" des Ministeriums zufolge werden nämlich "die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mehr als bisher in das Asylverfahren eingebunden sein." Dadurch wird "die tägliche Arbeit auf der Straße" im Umgang mit Asylwerbern "erheblich erleichtert". Was das wohl heißen soll? Dass man sie erheblich leichter einsperren kann?

Genau so ist es gemeint. Es werden nämlich „Festnahmebestimmungen in das Asylgesetz aufgenommen". Gemäß § 37 (6) sind dem Bundesasylamt "Organe des öffentlichen Sicher­heitsdienstes beigegeben oder zugeteilt. Diese sind ermächtigt, die keinen Aufschub duldenden sicherheitsbehördlichen Maß­nahmen zu setzen." Das heißt, dass Asylwerber wieder im Bundesasylamt verhaftet werden sollen, wie in der unseligen Löschnak-Matzka-Zeit. Damals stand im Bundesasylamt Wien ein Gitterkäfig, euphemistisch "Handzelle" genannt, darin wurden Flüchtlinge eingesperrt vor ihrem Abtransport. Herr Strasser, wollen Sie das wieder so?

Der Großteil der Flüchtlinge soll schon an der Grenze zurück­gewiesen werden. Ohne Rechtsschutz, ohne jegliches Ver­fahren Weil sie aus "sicheren Drittstaaten" kommen. Was aber wird aus denen, die es ins Innere unseres gastfreundlichen Landes schaffen und sich freiwillig, in der Hoffnung auf Schutz, bei einer Sicherheitsbehörde melden? Sie werden gemäß § 18 von der Sicherheitsbehörde der Erstaufnahmestelle (in Traiskirchen oder einem Lager in Westösterreich) vorge­führt. Sie werden durchsucht und erkennungsdienstlich behandelt, als ob sie Verbrecher wären; alle ihre persönlichen Gegenstände und Dokumente, von denen die Behörde sich Aufschlüsse verspricht, werden "sichergestellt". In der "Erstaufnahmestelle" wird der Flüchtling binnen 48 (längstens 72) Stunden verhört. Danach teilt man ihm mit, ob sein Verfahren zulässig ist oder ob sein Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen werden soll. Erst ab diesem Zeitpunkt hat er Zugang zu einem der vom Innenminister ernannten Rechts­berater, die in den Erstaufnahmestellen Dienst tun sollen. Diese Rechtsberater sollen an die Amtsverschwiegenheit gebunden sein – eine ungeheuerliche Einschränkung ihrer Befugnisse, in einem Land wie Österreich, wo rechtsstaatliche Asylverfahren immer nur mit Hilfe größtmöglicher Öffentlichkeit erzwungen worden sind. Unabhängige Rechtsberater aus den Reihen der NGOs werden im neuen Gesetz überhaupt nicht erwähnt; ob sie trotzdem Zutritt zu den Asylwerbern in den Erstaufnahme­stellen haben werden, ist völlig ungewiss. Hand in Hand mit der geplanten Verhinderung des Zutritts geht die Gefangen­haltung der Flüchtlinge selbst: Wer sich im Zulassungs­verfahren "ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat", über den wird gemäß § 34 b AsylG die Schubhaft verhängt. "Ungerechtfertigt". Wer entscheidet das? Das Asylamt? Die Polizei?

Aber was sind denn nun die Gründe, aus denen ein Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen werden kann, und was soll dann mit dem Flüchtling geschehen?

Die drei Hindernisse für einen Zugang zum inhaltlichen Verfahren sind: Drittstaatsicherheit; Dublin-Vertrag (Zustän­digkeit eines anderen EU-Landes); Abweisung als "offensicht­lich unbegründet". Asyl in Not fordert die ersatzlose Streichung der Drittstaat- und Dublinklauseln in Österreich und ganz Europa. Wir bekennen uns zur freien Wahl des Asyl­landes durch den Flüchtling. Flüchtlinge sind keine Kartoffel­säcke, die man von einem Staat zum nächsten verschieben darf. Und die Staaten Europas könnten sich viele kostspielige, sinnlose Prozeduren ersparen. Wer kann dann überhaupt noch in Österreich einen Asylantrag stellen? Alle Nachbarländer sind EU-Mitglieder oder stehen auf der Liste "sicherer Drittstaaten".

Bevorzugt ist also, wer einen guten, teuren Schlepper hat, der ihn nicht nur wohlbehalten aus dem Verfolgerland heraus, sondern auch sicher am österreichischen Bundesheer vorbei schleust, weit genug ins Landesinnere, dass niemand mehr den Reiseweg feststellen kann. Wer nur einen billigen Schlepper hat, der ihn in Ungarn auf der grünen Wiese aussteigen lässt, mit dem Hinweis: "Dort ist Germany!" – der wird festgenom­men; den schiebt man zurück. Um auch dieses Schlupfloch zu schließen, wird Herr Strasser wohl die Grenzkontrollen verschärfen. Klar, dass die Preise der Schlepper dann steigen wer­den. Es steigt ja auch ihr Risiko. Eine Frage, Herr Strasser Kriegen Sie eigentlich für Ihr neues Gesetz von den Schleppern Provision? (...)

Eine Abweisung ist mit einer Ausweisung zu verbinden. Diese Ausweisung wird mit ihrer – wenn auch nicht rechtskräftigen Erlassung – durchsetzbar (§ 6 Absatz 3). Der Asylwerber verschwindet in der Schubhaft. Umso schlimmer wirkt sich nun aus, dass in Wien auf Befehl des Innenministers der unabhängige Schubhaftsozialdienst keinen Zutritt zur Schubhaft mehr hat; an seiner Stelle wurde ein vom Innenministerium protegierter "Verein Menschenrechte" eingesetzt, dessen Geschäftsführer jede Zusammenarbeit mit rechtsberatenden NGOs ablehnt und stattdessen die Durchführung "professioneller Abschiebungen" propagiert. Auch hier gibt es ein kleines Schlupfloch. Der UBAS kann der Berufung binnen sieben Tagen die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Und was, wenn der Flüchtling bis dahin schon abgeschoben ist? So wie Marcus Omofuma abgeschoben und umgebracht wurde, bevor der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannte?

Wir NGOs werden weiterhin kompromisslos und unbestechlich über die Einhaltung der Menschenrechte wachen. Wir werden die Isolierung der Schutzsuchenden in den Erstaufnahmezentren, die geplanten Zurück- und Abschiebungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit nicht tolerieren. Wir werden den neuen Eisernen Vorhang an unseren Grenzen nicht akzeptieren.(gekürzt)

Anmerkung: Die Gesetzesnovelle wurde am 11. Juni 2003 vom Ministerrat beschlossen.

erschienen in: Talktogether Nr. 4/2003