H2O - ein Lebenselixier wird knapp
Von Herbert Hopfgartner
Wasser – ein Lebensmittel
Bei der Geburt besteht der menschliche Körper zu 95% aus Wasser. Im Erwachsenenalter „sinkt“ der Wasserspiegel auf ca. 70% des Körpergewichts. Alte Menschen können noch weniger Wasser speichern, darum erhöht sich bei ihnen auch die Gefahr einer Austrocknung. Daher der obligate Rat an Greise, immer wieder etwas zu trinken – denn ohne Wasser kann der Mensch nicht leben. Doch nicht nur Menschen beanspruchen das kostbare Nass: In Europa konsumieren Menschen lediglich ungefähr 10%-15% des Wasservorrats. Die Landwirtschaft hingegen verbraucht ĂĽber 70% des kostbaren „Bodenschatzes“. Der Rest geht in die Industrie bzw. „versickert“ in anderen Bereichen. NatĂĽrlich ist die Verteilung in jedem Land etwas anders, Klima, Vegetation, eine unterschiedliche Industrialisierung, verschiedene Formen der LandÂwirtschaft, vor allem das AusmaĂź der Tierhaltung, und auch der Zustand der WasserÂversorgung spielen hier eine groĂźe Rolle.
Bedarf und Verbrauch
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es auf der Erde ohnehin genĂĽgend Wasser gibt, doch 98% des flĂĽssigen Elements auf dem Globus ist Salzwasser. Als Grundlage zum Leben und Ăśberleben dienen der Menschheit lediglich 0,4% des SĂĽĂźwassers, der Rest ist in Gletschern, Eis und Schnee gebunden. Während in den Industrieländern der durchschnittliche Wasserverbrauch seit Jahren sinkt, steigt – weltweit gesehen – der Wassermangel bedrohlich an. Verantwortlich fĂĽr dieses MissÂverhältnis ist der Umstand, dass Wasser eben nicht nur von Menschen, sondern auch „indirekt“ fĂĽr die Erzeugung von Futter- und Nahrungsmittel, Bekleidung sowie Waren aller Art gebraucht wird. Noch dazu werden jeden Tag rund zwei Millionen Tonnen Chemikalien, menschliche, landwirtschaftliche und industrielle Abfälle entsorgt – nicht immer in die dafĂĽr vorgesehenen Kanäle. Die Folgen fĂĽr die FlieĂźgewässer und das Grundwasser, also fĂĽr die Trinkwasserreserven, sind massiv.
Konsumgut Wasser
Während in Dubai eine Person und Tag durchschnittlich 500 Liter Wasser verbraucht, sind es in den USA immerhin noch 295, in Europa schwankt der Bedarf zwischen 120 und 270 Liter. Ein Inder benötigt lediglich 25 Liter Wasser. In Deutschland wird beispielsweise der durchschnittliche Tagesverbrauch von 122 Litern folgendermaßen aufgeschlüsselt: 3 Liter für Trinken und Kochen, 7 zum Geschirr spülen, 7 zum Putzen. 5-15 Liter für die kleine Körperpflege, 20-40 zum Duschen, 30 zum Wäsche waschen, und den Löwenanteil, nämlich 40 Liter, geht an die Toilettenspülung. Der weltweite Verbrauch an sauberem Süßwasser wird jährlich auf 4.370 km³ geschätzt, wobei die Grenze einer nachhaltigen Nutzung mit ungefähr 4000 km³ angegeben wird. Bei vorsichtiger Interpretation dieser Zahlen kann also davon ausgegangen werden, dass es – wiederum global betrachtet – kaum noch große Reservoirs an nicht entdeckten Wasservorkommen gibt.
Zu bedenken ist ferner, dass sich zwischen 1930 und 2000 der weltweite Wasserverbrauch versechsfacht, die Anzahl der Erdenbürger jedoch „nur“ verdreifacht hat – die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte sind dementsprechend düster. Genügend Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass zukünftige Kriege nicht aufgrund von Konflikten um Ölfelder oder Kohleminen, sondern wegen Auseinandersetzungen um sauberes Trinkwasser ausbrechen werden. So überlegen sich etwa einige arabische und asiatische Staaten schon seit einiger Zeit Strategien, um außerhalb ihrer Landesgrenzen weiterhin genügend Ernteflächen, Weiden für eine intensive Viehzucht, aber auch Flussläufe und unterirdische Wasserreserven zu bewirtschaften. Wenn aber gleichzeitig die Einwohner des „kolonialisierten“ Landes kein sauberes Trinkwasser und zu wenig Nahrung vorfinden, erhebt sich wohl die moralische, juristische und politische Frage, wem Wasser respektive auch eine gewisse Grundversorgung an Nahrungsmitteln nun eigentlich zusteht – wenn nicht der Not leidenden Bevölkerung des Landes!
Virtuelles Wasser
Der bei der Produktion von Nahrungsmitteln, Waren aller Art und Erzeugnissen aus Industrie bzw. Landwirtschaft entstehende Wasserverbrauch wird neuerdings und im Zusammenhang mit der Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung „virtuelles Wasser“ genannt. Wobei: Der Ausdruck „virtuell“ täuscht: Das Wasser wird ja tatsächlich ge- bzw. verbraucht, allerdings oft im langen Prozess der Herstellung und darum auf den ersten Blick nicht erkennbar. Bei der Tierzucht muss zum Beispiel nicht nur die Trinkwassermenge für die Tiere, sondern auch der Wasserverbrauch für die gesamte Herstellung des Futters mitberechnet werden. Bei Industrieprodukten sind es oft einzelne Bestandteile, die man mit viel Wasseraufwand in Minen abbaut, aus der Erde holt oder in komplizierten Verfahren herstellt.
Für die Gewinnung von einem Kilogramm Röstkaffee werden ungefähr 20.000 Liter Wasser benötigt, wobei diese Schätzung – wie alle anderen – relativ gelesen werden muss: Wenn ein Kaffeeanbaugebiet in einem regenreichen Hochland liegt, wird dem Boden wenig Grundwasser entzogen. Die ökologische Bilanz wäre in diesem Fall nicht besorgniserregend. Extremer erscheint die Relation übrigens beim Anbau von Kakaobohnen: Für 1 kg Kakao braucht man immerhin 27.000 Liter Wasser – Liebhaber von Schokolade bekommen angesichts dieses Verhältnisses und des Wissens um den Zuckergehalt derselben wohl ein (doppelt) schlechtes Gewissen.
Kleidung aus reiner Baumwolle genießt weltweit einen hohen Status. Sie ist angenehm zu tragen, pflegeleicht und kostet nicht viel. Wenn wir aber bedenken, dass ein Baumwoll-T-Shirt ca. 2.000 Liter Wasser bzw. eine Jeans ungefähr 11.000 Liter benötigt, und in die Überlegung miteinbeziehen, dass 2/3 der weltweiten Baumwollanbaufläche künstlich bewässert werden, erscheinen die Zusammenhänge schon wesentlich problematischer. Turkmenistan, ein Baumwolle erzeugendes Land, entnimmt seinen Flüssen und Seen beispielsweise 5.753 m³ Wasser pro Kopf und Jahr. Der Effekt ist hinlänglich bekannt: Der Aralsee trocknet rapide aus. Wo früher üppige Vegetation zu sehen war, dominiert heute Steppe und Wüste. Als Vergleich: Die Demokratische Republik Kongo kommt gerade einmal mit 11m³ Wasserentnahme pro Kopf und Jahr aus. Dass im Textilbereich weltweit viele Arbeitskräfte ausgebeutet werden bzw. in den Produktionsstätten katastrophale Bedingungen herrschen, darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden.
Massentierhaltung
Veganer und Vegetarier weisen mit Recht darauf hin, dass Fleischesser eine desaströse Bilanz hinsichtlich des nachhaltigen Umgangs mit natürlichen Ressourcen aufweisen. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch erfordert 15.000 Liter Wasser, dieselbe Menge Schweinefleisch benötigt knappe 5.000 Liter, Geflügel aufgrund der kurzen Lebensdauer „nur“ 4.000 Liter Wasser.
Erneut muss hervorgehoben werden, dass vor allem der riesige Bedarf an Futtermitteln und die exzessive Massentierhaltung für diese Zahlen verantwortlich sind. Tiere, die in freier Natur gehalten werden, leben mit Sicherheit nicht nur gesünder und artgerechter – sie verbrauchen auch viel weniger Wasser. Nicht akzeptable Bedingungen bei den Tiertransporten und ebenso rohe wie rücksichtslose Zustände an manchen Schlachthöfen lassen zudem nicht wenige Menschen zweifeln, ob man Fleisch ohne zu zögern genießen soll!
Also GemĂĽse und Obst!?
Viele Sorten beanspruchen relativ wenig Pflege und auch kaum eine künstliche Bewässerung, noch dazu wird der Genuss von allen Ernährungswissenschaftlern empfohlen. Ein bedenkenloses „Ja“ kann aber nur dann ausgesprochen werden, wenn die Pflanzen in regionaler Nachbarschaft wachsen sowie unter klimatisch geeigneten Bedingungen gedeihen können. Erdbeeren, die in wüstenähnlichen Gebieten und mit illegal abgepumptem Grundwasser bewässert und eventuell noch mit dem Flugzeug nach Mitteleuropa gebracht werden, verzerren nicht nur jede Bilanz, die Produktionsbedingungen spiegeln kurzfristiges Gewinnstreben und Ignoranz gegenüber einem nachhaltigen Umgang mit der Natur.
Getreide wird in den USA und in Europa „relativ“ wasserschonend erzeugt (ca. 1000 Liter für ein Kilogramm), während es in afrikanischen Ländern nur mit kostenintensiver Bewässerung hergestellt werden kann. Da aber Getreide (sowohl für menschliche Nahrung als auch für Tierfutter) an den Börsen gehandelt wird – und arme Länder sich schon allein deshalb (!) kaum auf den Märkten damit eindecken können, wollen jene aus verständlichen Gründen auf einen eigenen Anbau nicht verzichten. Dieses Dilemma ist ohne internationale Vereinbarungen schwer oder gar nicht lösbar, wobei erschwerend noch hinzu kommt, dass global agierende Firmen einen Großteil der Ernten bzw. der erwirtschafteten Bodenschätze aus ärmlichen Regionen still und heimlich außer Land bringen. Arbeiter und ortsansässige Einwohner gehen oft leer aus.
Wie verhält man sich ökologisch bzw. „wassertechnisch“ korrekt?
Wer vorwiegend Gemüse und Obst nach regionalen und saisonalen Gesichtspunkten kauft oder sogar selbst anpflanzt, macht schon vieles richtig. Wer weniger Fleisch isst, spart viel Wasser, hilft den Tieren, dem Boden, der Luftgüte und – medizinisch betrachtet – auch sich selbst. Die Devise lautet: Tee statt Kaffee und Wasser statt Limonaden! Gerade letztere enthalten viel Zucker, dem wiederum, auf ein Kilo gerechnet, der Gegenwert von rund 1500 Liter Wasser entspricht. Frische Nahrungsmittel sollten rechtzeitig verarbeitet werden, damit nichts weggeschmissen werden muss! Von der weltweiten Lebensmittelproduktion wird schätzungsweise ein Drittel weggeworfen oder gar nicht geerntet! Hier sind also wiederum alle, der private Haushalt, die Landwirtschaft, die Produzenten, die Gastronomie sowie der Handel, gefragt.
Bei der Bekleidung ist es schon schwieriger, die Nachhaltigkeit der Herstellung zu überprüfen: Pro Kilogramm Baumwolle werden in China 6.000 Liter, in Usbekistan über 9.000 und in Indien über 22.000 Liter Wasser verbraucht. Bei den meisten Kleidungsstücken ist jedoch völlig unklar, woher die Baumwolle oder die Stoffe kommen, wer diese Materialien verarbeitet hat, unter welchen Umständen die Arbeiter die jeweiligen Stücke hergestellt haben, welche Farben verwendet wurden usw. Global tätige Modefirmen sowie Discounter „vernebeln“ geschickt etwaige Fragen nach der Herkunft ihrer Waren oder deren Qualitätsstandards. Wie so oft darf man sich auch die Frage stellen, wie viele (zu schnell gekaufte) Kleidungsstücke achtlos und unangezogen im Kleiderkasten darauf warten, entsorgt zu werden.
Einige Tipps zur Reduktion des individuellen Wasserverbrauchs sind leicht umzusetzen: Duschen statt Baden ist angesagt; Durchflussbegrenzer sind mühelos in Wasserhähnen einzubauen, die Betätigung der Spartaste bei der Toilette „verhindert“ bei Kurzbesuchen eine Vollspülung. Beim Zähneputzen ist es durchaus erlaubt, das Wasser während des Putzvorgangs abzuschalten, und vielleicht muss man manche Kleidungsstücke nicht gleich nach einmaligem Tragen sofort wieder waschen.
Ob der fahrbare Untersatz immer glänzen muss, darf am Schluss auch noch kurz hinterfragt werden: Die Produktion eines Autos verschlingt ohnehin schon bis zu 400.000 Liter Wasser, da viele der Rohstoffe sowie die vielen Kunststoffe mit relativ viel Wasseraufwand gewonnen bzw. hergestellt werden müssen.
Zukunftsaussichten
Wer die Klimaerwärmung und die damit verbundene Wasserknappheit nicht leichtfertig ignoriert, wird feststellen, dass in trockenen Regionen der ungezĂĽgelte und maĂźlose Umgang mit Wasser zu gravierenden Problemen gefĂĽhrt hat bzw. mit groĂźer Gewissheit noch fĂĽhren wird. Unsauberes Trinkwasser, sinkende Grundwasserspiegel, Hitzeperioden und DĂĽrreÂkatastrophen werden zukĂĽnftig ungeahnte Migrationsbewegungen auslösen, weil einige Gebiete oder ganze Länder unbewohnbar werden.
Dass FuttermittelÂkonzerne, die Fleisch verarbeitende Industrie, Reeder, Frachtunternehmen sowie der international agierende Lebensmittelhandel zu diesem Thema schweigen oder sogar kritische Artikel als Angst machende Hysterie diffamieren, darf nicht wundern: Mit Wasser lässt sich derzeit viel Geld machen.
veröffentlicht in Talktogether Nr. 67/2019
Â
|