Von fleischfressenden Pflanzen, Himmelsziegen und verlorenen Seelen
Bei unserer Wanderung durch das Ibmer Moor am 24. Juli konnten wir fleischfressende Pflanzen bestaunen, erfuhren über Himmelsziegen, Irrlichter und Moorleichen, außerdem durften wir Torfziegel anfassen und ein Moor-Fußbad nehmen. Die 16 Teilnehmer*innen der Talktogether-Exkursion waren tief beeindruckt und berührt von der einzigartigen Schönheit der Natur und der für alle Altersgruppen spannenden Führung. Sie erfuhren, wie bedeutsam die Moore für den Klimaschutz sind, was den Organisator*innen bestätigt hat, dass sie mit der Auswahl des Exkursionszieles genau richtig gelegen sind.
Foto: Mehdi Abbadi / talktogether
Extreme Hitzewellen, Überschwemmungen und Waldbrände sprechen eine deutliche Sprache: Der Natur- und Klimaschutz ist die größte Herausforderung für die Menschheit. Obwohl intakte Moorlandschaften weltweit mehr Kohlenstoff speichern als Wälder, spielen sie in der öffentlichen Diskussion aber nur selten eine Rolle. Die in den Mooren wachsenden Pflanzen werden nach ihrem Absterben nur unvollständig abgebaut, da durch die dauerhafte Sättigung des Bodens mit Wasser nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht. Das nicht abgebaute Pflanzenmaterial bildet Torf. Auf diese Weise binden Moore CO2 aus der Luft, das im Boden gespeichert bleibt. Außerdem bieten sie wichtige Lebensräume für bedrohte Pflanzen- und Tierarten, reinigen das Wasser und tragen zum Hochwasserschutz bei, indem sie Regenwasser wie ein Schwamm aufsaugen. Ursprünglich waren große Teile Europas mit Mooren bedeckt. Doch bereits im Mittelalter wurde mit der systematischen Kultivierung der Moore begonnen, so dass diese Landschaften heute selten geworden sind.
Das Ibmer Moor
Der größte zusammenhängende Moorkomplex Österreichs besteht aus dem Bürmoos, dem Weidmoos und dem Ibmer Moos im Grenzgebiet von Oberösterreich und Salzburg. Mit einem Alter von rund 12.000 Jahren und einer Fläche von 2.000 Hektar ist diese Landschaft ein idealer Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen. Bis in die 1970er Jahre wurde das Moor jedoch stark geplündert. Mit Entwässerungsgräben entzog man dem Boden Wasser, um Acker- und Weideland zu gewinnen. Über Jahrhunderte wurde zudem Torf abgebaut, der als Brennmaterial diente. Dieser lieferte auch den Brennstoff für die Glasindustrie, die am Ende des 19. Jahrhunderts in Bürmoos entstand. Hier arbeiteten und lebten Torfstecher, Glasarbeiter und Ziegelarbeiter aus dem Innviertel und der ganzen Donaumonarchie zusammen. Als die Glasfabrik 1929 geschlossen wurde, wurden auf einen Schlag fast 90 Prozent der Bevölkerung arbeitslos.
Torf ist jedoch ein höchst umweltschädlicher Brennstoff, weil bei seiner Trocknung große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden. Zudem wächst der Moorboden pro Jahr nur einen Millimeter. Was hier abgetragen wurde, hat für seine Entstehung Jahrtausende gedauert. Heute ist der Torfabbau verboten.
Vom ursprünglich mehr als 2.500 Hektar großen Moorkomplex blieb nur ein Teil von gut 900 Hektar unangetastet. Trotzdem befinden sich im Ibmer Moor weiterhin eine große Vielfalt seltener Moorpflanzen sowie eines der größten Vorkommen von Brachvögeln Österreichs. Bemerkenswert ist auch die Mischung der unterschiedlichen Moortypen Niedermoor, Übergangsmoor und Hochmoor. Niedermoore benötigen reichlich Grundwasser, während Hochmoore nicht vom Grundwasser gespeist werden. Das Ibmer Moor ist als österreichisches Naturschutzgebiet und als europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen.
Führung durch das Moor
Ohne unsere Führerin Anneliese Frandl wären wir wohl an vielen Naturwundern achtlos vorbeigegangen. Sie aber kennt jedes Schlammloch und jede Pflanze, so dass ihr sofort auffällt, wenn etwas nicht in Ordnung ist. In dieser streng geschützten Landschaft darf nämlich keine Pflanze ausgerissen werden, auch wenn hier Heilkräuter und Beeren wachsen. Von ihr wir lernten nicht nur über die ökologische Bedeutung des Moors, sondern auch über die Geschichte der Region. Wir durften wurzellose fleischfressende Pflanzen anfassen und erfuhren von erstaunlichen Vögeln wie der Bekassine, die während der Balz ein Geräusch macht, das dem Meckern einer Ziege ähnelt. Wir lernten auch über die Heilwirkung des Moors bei chronischen Rücken- und Gelenksschmerzen und Hauterkrankungen, dass man die Leuchterscheinungen, die durch auftretende Gase im Moor auftreten, früher für die verlorenen Seelen Verstorbener hielt, und was wir von Moorleichen, die Jahrhunderte lang im Moor konserviert waren, über die Vergangenheit erfahren können.
Das Ziel der Talktogether-Exkursionen ist es, Menschen die neu hier in Österreich sind, etwas über ihre neue Heimat näherzubringen. Gemeinsam konnten wir hier viel Neues erfahren, Bekanntes mit anderen Augen betrachten und Gemeinsamkeiten entdecken. Auch in Afghanistan wird Torf als Brennmaterial verwendet, weil es nicht so viel Holz gibt, stellte ein Teilnehmer fest, und eine Teilnehmerin berichtete, dass sie ähnliche Landschaften in Somalia kenne. Alle waren tief beeindruckt und berührt von der einzigartigen Schönheit der Natur. Die wunderbare Führung durch das Moor hat uns vor Augen geführt hat, was für einen unwiederbringlichen Verlust jeder Eingriff und jede Zerstörung einer intakten Naturlandschaft bedeutet.
Auch die Stadt Salzburg war einst von weiträumigen Mooren umgeben, die jedoch zur Gewinnung von Acker- und Bauland trockengelegt und durch den Torfabbau zerstört wurden. Naturnahen Charakter weisen heute nur mehr kleine Flächen wie das Samer Mösl oder Teile des Leopoldskroner Moores auf.
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Die Exkursion wird im Rahmen des Projekts „walktogether – talktogether – learntogether“ von der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung gefördert.
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