Gespräch mit Martin Sturmer, Kommunikationsberater und Gründer der Nachrichtenagentur afrika.info
Die Ausstellung „made in Afrika“ am Afro-Asiatischen Institut Salzburg, 17.-20. Juni 2021. Foto: AAI Salzburg
TT: Du beschäftigst dich schon lange mit dem afrikanischen Kontinent und den Beziehungen zwischen Afrika und Europa. Wie bist du dazu gekommen?
Martin: Als Jugendlicher wollte ich als Entwicklungshelfer in Afrika arbeiten und habe beim Österreichischen Entwicklungsdienst angefragt, was hier zu tun sei. Die meinten, ich solle eine Tischlerlehre beginnen. Das wollte ich aber nicht, weil ich mich eh schon in der Schule sehr geplagt habe und auch nicht so der manuelle Typ bin. Außerdem kam es mir antiquiert vor, als Tischler nach Afrika zu gehen. Inzwischen sind auch andere Berufe in der Entwicklungszusammenarbeit möglich, aber in den 1980er Jahren war das alles noch sehr traditionell. Ich habe dann überlegt, welches Studium meinen Interessen am nächsten kommt, und habe mich für Afrikanistik entschieden. Im Studium kam bald die gemeinsame Kolonialgeschichte zur Sprache. Es ging aber auch um die aktuellen Beziehungen, die zwar keinen prominenten Platz eingenommen haben, aber doch immer wieder beleuchtet wurden. Da das Studium damals noch kombinationspflichtig war und mich Journalismus auch schon immer interessiert hat, habe ich Kommunikationswissenschaften gewählt. Medien in Afrika wurde dann mein Forschungsschwerpunkt, und ich habe meine Dissertation über die Mediengeschichte Tansanias geschrieben.
TT; Du hast 2007 die Nachrichtenagentur afrika.info gegründet. Was waren deine Beweggründe?
Martin: Wenn man die Fächerkombination Afrikanistik und Kommunikationswissenschaften studiert, bemerkt man schnell, dass das Afrikabild in den europäischen Medien sehr eindimensional ist und dass die Beiträge überwiegend negativ konnotiert sind. Ich habe in den 1990er Jahren mit Kollegen versucht, ein Uni-Projekt zu starten, leider konnten wir damals keine Finanzierung aufstellen. Später habe ich die Idee wieder aufgegriffen, ein Medien-Netzwerk aufzubauen, damit Stimmen aus Afrika mehr gehört werden. Es gibt mehrere Gründe für das negative Afrikabild in den Medien. Einer davon ist die Rolle der Auslandskorrespondent*innen, die meist in Kapstadt, Johannesburg oder Nairobi sitzen und die über ein riesiges Gebiet, welches nicht selten mehr als 30 Länder umfasst, berichten müssen. Da ist es oft gar nicht möglich, sauber zu recherchieren. Das andere Problem ist, dass die Abnehmerredaktionen eine gewisse Erwartungshaltung haben und eher Beiträge wollen, die ihre vorgefassten Meinungen bestätigen.
Um dem entgegenzuwirken habe ich – mit ein paar Jahren Vorlaufzeit – 2007 afrika.info gegründet. Das war ein sehr günstiger Zeitpunkt, denn das Interesse für Afrika war – im Vergleich zu heute – sehr groß. Nelson Mandela war noch sehr präsent, die Fußball WM in Südafrika war in Vorbereitung, und so hat es nicht lange gedauert, bis die Artikel afrikanischer Journalist*innen aus unserem Netzwerk in der österreichischen Printmedienlandschaft erschienen. Im Jahr der Fußball-WM 2010, die allen Unkenrufen zum Trotz eine der am besten organisierten Weltmeisterschaften war, konnten wir am meisten Beiträge veröffentlichen. Doch mit Ebola gab es einen Knick und alles ist viel schwieriger geworden. Es wurde aber auch überall der Rotstift angesetzt, so dass es für viele Redaktionen gar kein Thema mehr ist, Leistungen zuzukaufen.
TT: In welchen Zeitungen wurden Artikel von afrika.info veröffentlicht?
Martin: Im Jahr 2010 wurden allein in den Salzburger Nachrichten 50 Beiträge veröffentlicht, zum Teil waren es großflächige Berichte, die meiner Meinung nach wirklich etwas bewirkt haben im Hinblick auf einen anderen Blick auf Afrika. Das hat sich leider durch personelle Wechsel im Auslandsressort geändert. Ich muss aber fairerweise dazusagen, dass wir auch deutlich an Quantität eingebüßt haben. Unser wichtigster Partner, der deutschsprachige Dienst von Inter Press Service, musste aus finanziellen Gründen seinen Dienst Ende 2015 einstellen. Bis dahin konnten wir bis zu sechs Beiträge pro Tag anbieten, heute muss ich die Beiträge selbst übersetzen, und das kann ich oft nicht mehr leisten.
Die Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS) wurde in den 1960er Jahren gegründet, um den Menschen aus dem Globalen Süden eine Stimme zu verleihen und ihren Blickwinkel wiederzugeben. IPS hat in Lateinamerika begonnen, in den 1980er Jahren wurde das erste Büro in Harare, Zimbabwe, eröffnet und von dort aus ein Afrikanetzwerk aufgebaut. Hundert Journalisten und Journalistinnen haben dort ihre Beiträge veröffentlicht, und aus diesem Pool konnten wir uns bedienen.
TT: Was sind die Angebote von afrika.info? Welche Zielgruppen spricht die Nachrichtenagentur an?
Martin: Veröffentlichungen in Zeitungen haben eine abnehmende Bedeutung, zunehmend haben aber Unternehmen begonnen, sich für unser Netzwerk, das circa 150 Korrespondent*innen aus fast allen Ländern Afrikas umfasst, zu interessieren. Um deren Bedürfnisse besser abdecken zu können, habe ich auch eine Unternehmensberatung gegründet, die in erster Linie Innovation Scouting anbietet. Dieses wird von Unternehmen gerne eingeschaltet, um keine wichtigen Trends zu verpassen. Afrika hat eine lebendige Start-Up-Szene mit sehr starken Zuwachsraten. Zahlreiche Unternehmen werden gegründet, um mit technologischen Innovationen Lösungen für aktuelle Probleme zu finden. Diese spannende Entwicklung ist ab 2007 von Kenia ausgegangen, als man dort ein bargeldloses Bezahlsystem über Mobiltelefone entwickelt hat, und hat viele neugierig gemacht.
Doch auch hier hat mir Ebola einen großen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Ebola-Krise hat auf dem ganzen Kontinent großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet, weil die Leute nicht zwischen einer Gesundheitskrise Sierra Leone und der Situation in Kenia unterscheiden. Das Kernproblem ist, dass der afrikanische Kontinent durch die einseitige Berichterstattung sehr undifferenziert als ein Land wahrgenommen wird, wie es kürzlich sogar Ex-Ministerin Schramböck passiert ist.
Ein weiteres Tätigkeitsfeld sind die Bildungsprojekte, die wir gerne zusammen mit dem Afro-Asiatischen-Institut anbieten. Heuer haben wir die Afrika-Filmtage im DAS KINO gemeinsam durchgeführt. Letztes Jahr haben wir die die Ausstellung „Made in Africa“ organisiert, bei der wir afrikanische Produkte vor den Vorhang geholt haben, die bei uns nicht so bekannt sind, wie zum Beispiel Laufschuhe aus Kenia oder Smartphones aus Ruanda. Damit wollten wir zeigen, dass Afrika mehr zu bieten hat als Kunsthandwerk oder Rohstoffe wie Kakao und Kaffee, wie sie üblicherweise im traditionellen fairen Handel angeboten werden. Es ist wenig bekannt, dass in Afrika auch Technologien entwickelt und zum Beispiel Handys, Tablets und Sportschuhe im Weltklasseformat herstellt. Es war eine sehr gelungene Ausstellung, bei der man bemerkt hat, dass sie in den Köpfen der Leute tatsächlich etwas ausgelöst hat.
TT: Sind Unternehmen in Afrika nicht auch ein Problem? International agierende Unternehmen spielen ja nicht immer eine positive Rolle.
Martin: Genau, aber für solche Unternehmen arbeiten wir nicht. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich, kurz nachdem ich begonnen habe, das Angebot im Internet zu bewerben, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen von solchen Unternehmen kontaktiert worden bin – es waren die ersten Anfragen überhaupt. Die erste kam von einem Herrn, der Elektroschrott nach Ghana exportieren wollte, bei der zweiten ging es darum, Palmöl aus Afrika nach Österreich zu importieren. Aber ich kann euch beruhigen: Wir lehnen es selbstverständlich ab, für Unternehmen tätig zu werden, die in Afrika keine positiven Veränderungen herbeiführen wollen oder die nur im Geruch des Ausbeuterischen stehen.
TT: Für welche Unternehmen arbeitet afrika.info?
Martin: Es gibt Unternehmen, die nicht die kolonialen Strukturen beibehalten und nur Rohstoffe aus Afrika importieren wollen, sondern die die Produktion in Afrika stärken und die Wertschöpfung erhöhen wollen, zum Beispiel mit der Weiterverarbeitung von Kaffee oder Kakao. Dabei handelt es sich meist um Unternehmen, die eine Vielzahl von Mitarbeiter*innen in afrikanischen Ländern haben, die zu fairen Löhnen – teilweise über den Tarifen, die wir aus dem fairen Handel kennen – und unter guten Arbeitsbedingungen beschäftigt werden. Das ist unser Grundsegment. Unser Angebot hängt nun davon an, in welchem Stadium sich dieses Unternehmen befindet. Manchmal gibt es erst eine vage Vorstellung, und dann geht es darum, die Idee auszugestalten und zu schauen, welche Fördertöpfe sich dafür eignen. Die Austrian Development Agentur (ADA) beispielsweise unterstützt österreichische Unternehmensgründungen im Globalen Süden, wenn positive Effekte für die Menschen vor Ort nachweisbar sind und die Aktivitäten mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung im Einklang stehen.
TT: Womit hängt es deiner Meinung nach zusammen, dass das Interesse an Afrika abgenommen hat?
Martin: Ich würde eher sagen, dass das Interesse an differenzierten Nachrichten nachgelassen hat. Dafür gibt es mehrere Gründe. In erster Linie ist es die mediale Krise. Die Zeitungsauflagen und Werbeeinnahmen sinken, und so werden eher Dinge gepusht, von denen man vermutet, dass sie bei den Lesern und Leserinnen besser ankommen. Die Auslandsberichterstattung hat nie wirklich dazugehört. Da sie zudem teuer ist, streicht man vor allem dort. Auf der anderen Seite feiern Zeitschriften heute Auflagenerfolge mit Themen, die auf das ganz nahe Umfeld der Menschen abzielen, wie zum Beispiel: Was kann ich im Garten tun? Wie gestalte ich mein Heim? Ich denke, die Welt ist für viele Menschen zu komplex geworden, so dass sie sich in den privaten Bereich zurückziehen, und die Medien tragen diesem Trend Rechnung. Ich fürchte aber, dass diese Entwicklung auch mit einer globalen Entsolidarisierung einhergeht.
Ich habe mich sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, warum über Afrika meist negativ berichtet wird, und zwar eindeutig negativer als über andere Kontinente. Thomas Seifert von der Wiener Zeitung hat einmal gesagt: „Im medialen Theater bekommt jeder eine Rolle. Die Rolle Afrikas ist die der tragischen Figur, die am Ende sterben muss.“ Ich habe mich gefragt, ob das stimmt und wie sich das entwickelt hat, und habe mich auf Spurensuche begeben. Ich habe festgestellt, dass es im Jahr 1960, als viele afrikanische Länder die Unabhängigkeit erlangten, eine wesentlich positivere Berichterstattung gegeben hat. Doch dann hat die Kongo-Krise eingesetzt. Nach der Ermordung Lumumbas [1] kamen abscheuliche italienische Produktionen wie „Africa Addio“ ins Kino. Damit hat sich dieses brutale Bild von Afrika zum ersten Mal manifestiert. Und dann kam das Bild der Hungerkatastrophe in Biafra, das später in Äthiopien seine Fortsetzung fand. Jede dieser Katastrophen hat sich im Journalismus so stark eingeprägt, dass man das Gefühl hat, es gehe nur noch darum, diese Narrative zu bestärken.
Auch über Despoten wie Idi Amin, der sogar in „Ein echter Wiener geht nicht unter“ auftaucht, über Mobutu mit seiner Leopardenfellmütze oder Kaiser Bokassa aus der Zentralafrikanischen Republik hat man gerne berichtet. Der prunkvolle Mantel, in dem Bokassa sich nach dem Vorbild Napoleons zum Kaiser ausrufen ließ, wurde teilweise in Vorarlberg und in der Schweiz angefertigt, aber darüber schweigt man lieber. Auch bei der Apartheid hat man nicht hingeschaut. Südafrika war ein wichtiger Handelspartner und – mit einigen linken Ausnahmen – konnte man sich lange nicht dazu entschließen, das Apartheid-Regime zu verurteilen. Andere Diktaturen in Afrika hat man aber sehr wohl verurteilt und als barbarisch dargestellt, hier wurde mit zweierlei Maß gemessen. Und diese Erzählungen wurden dann zum Gesamtbild des tragischen Helden zusammengefügt.
TT: Afrika.info bietet auch Ubuntu-Webinare an, und du hast mit Daniela Molzbichler ein Buch darüber herausgegeben. Kannst du uns kurz etwas darüber erzählen?
Martin: Die südafrikanische Philosophie Ubuntu wird bei uns meist als „Gemeinsinn“ bezeichnet, das trifft es jedoch nicht ganz, weil es keine wirklich treffende Übersetzung gibt. Im Wesentlichen geht es um friedliche Beziehungen der Menschen untereinander und ihre Verbundenheit im Sinne des Menschseins. Die überragende Stärke dieser Denkweise liegt im Streben nach sozialer Harmonie, was in Südafrika eindrucksvoll bewiesen wurde. Sowohl Nelson Mandela als auch Desmond Tutu waren starke Befürworter dieser Philosophie, die sogar in der ersten Verfassung des demokratischen Südafrika Platz gefunden hat, in der jetzigen allerdings leider nicht mehr.
Auch die Versöhnungs- und Wahrheitskommissionen [2] waren von Ubuntu inspiriert. Nelson Mandela hat gesagt, um mit einem Gegner Frieden zu schließen, muss man mit ihm zusammenarbeiten, und dann wird dein Gegner zum Freund. Er hätte damals keine Regierung der Nationalen Einheit gründen müssen, weil der ANC die absolute Mehrheit innehatte, trotzdem war es ihm wichtig, seine ehemaligen politischen Widersacher mit an Bord zu holen. Deshalb bin ich überzeugt, dass es im Geist von Ubuntu auch für Führungskräfte hilfreich sein kann, sich mehr auf Gemeinschaftssinn einzulassen und Egoismen auf die Seite zu stellen. Viele Studien haben bewiesen, dass das Wir-Gefühl in einem Unternehmen die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen stärkt und dadurch auch die Produktivität erhöht wird.
TT: Woher kommt Ubuntu? Wann hat es sich entwickelt?
Martin: Es handelt sich um eine zumindest Jahrhunderte alte Tradition, manche sprechen von Jahrtausenden, aber das kann man schwer festmachen, da es sich um eine mündlich tradierte Philosophie handelt. Ähnliche Konzepte gibt es aber auch in anderen Ländern Subsahara-Afrikas: In Kenia spricht man Utu oder Undugu, auch die Idee von Ujamaa [3]ist von diesem Geist getragen. Auch in Westafrika gibt es Denkweisen, die viele Elemente mit Ubuntu gemeinsam haben. In unseren Breiten ist Ubuntu vor allem dadurch bekannt geworden, dass Barack Obama bei der Trauerfeier für Nelson Mandela davon gesprochen hat, dass Ubuntu sein größtes Geschenk an die Menschheit war.
TT: Afrika ist von der Klimakrise stark betroffen. Sind die afrikanischen Staaten in der Lage, dieser Herausforderung zu begegnen?
Martin: Ich denke, dass das Potenzial vorhanden ist. Es gibt viele tolle Projekte, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen und diesen auch gut bewältigen könnten. Durch die Kolonialisierung hat man Monokulturen – wie Mais – eingeführt. Dadurch wurden die Böden ausgelaugt und Bodenerosion verursacht. Heute gibt ein Umdenken hin zu einer klima-smarten Landwirtschaft, die wieder auf traditionelles Saatgut und traditionelle Pflanzen wie die Hirse setzt, die, wie wir wissen, nährreicher und klimaresistenter ist als unsere Getreidesorten, aber auch Maniok und Yams kommen besser mit Klimaveränderungen zurecht. Sehr beeindruckt haben mich die Waldgärten, die es in Kenia und Tansania schon seit Hunderten Jahren gibt. Unterschiedliche Bäume und Sträucher sorgen hier auf sieben Ebenen für gute klimatische Bedingungen und fruchtbare Böden, damit eine Vielzahl von unterschiedlichen Pflanzen gedeihen kann.
Ein Vorteil der Corona-Krise war, dass wir Leute zu unseren Webinaren einladen konnten, die bisher als unerreichbar galten. Im Dezember 2020 haben wir am Afro-Asiatischen Institut mit Yacouba Sawadogo diskutiert, der in Burkina Faso die traditionelle Anbaumethode Zaï wiederentdeckt und damit mehr Land wieder begrünt hat als sämtliche Entwicklungshilfeprojekte in den letzten Jahrzehnten zusammen.
Es gibt also ambitionierte Projekte in kleinerem Maßstab, die Antworten auf den Klimawandel liefern und aufzeigen, wie man mit den natürlichen Ressourcen schonend umgehen kann. Dem entgegen stehen jedoch Ambitionen wie das Landgrabbing, die diesen Bestrebungen zuwiderlaufen. In Afrika gibt es viel Land, das noch nicht wirtschaftlich genutzt wird, dieses muss jedoch in die richtigen Hände geraten. Leider passiert es aber viel zu oft, dass sich internationale Agrokonzerne das Land aneignen, die Böden mit ihrer Anbauweise auslaugen und damit der Bevölkerung wesentliche Lebensgrundlagen entziehen.
Was möglich ist, wenn der Wille da ist, hat man auch in Äthiopien gesehen, wo in einer riesigen Aufforstungskampagne Millionen Bäume gepflanzt wurden. Dann gibt es das Projekt der Großen Grünen Mauer – ein 15 Kilometer breiter Grüngürtel, der sich auf einer Länge von über 8.000 Kilometern vom Senegal im Westen bis nach Dschibuti im Osten erstrecken soll. Das Projekt wird zwar oft idealisiert dargestellt, stellt aber eine wichtige Initiative dar, um die Fruchtbarkeit der Böden wieder herzustellen.
TT: Der Panafrikanismus war im Unabhängigkeitskampf eine wichtige Strategie. Gibt es auch heute noch solche Bestrebungen?
Martin: Am 1. Jänner 2021 ist die afrikanische Freihandelszone (AfCFTA) an den Start gegangen, ein Handelsblock, an der alle afrikanischen Staaten mit Ausnahme von Eritrea teilnehmen. Auch wenn das Wort Panafrikanismus nicht mehr fällt, handelt es sich hierbei um eine panafrikanische Idee. Es gibt hierbei noch Schwierigkeiten bei der Umsetzung, weil die Zollbarrieren abgebaut werden müssen, und jedes Land andere Bestimmungen hat. Ich denke jedoch, dass dieses Abkommen eine große Chance bietet, den innerafrikanischen Handel zu stärken, der derzeit nur rund 17 Prozent des Handelsvolumens ausmacht. Es gibt auch noch andere Projekte, die vom Geist des Panafrikanismus getragen sind. Die High 5 Agenda der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) strebt u. a. eine Industrialisierung Afrikas an. Das hören bei uns zwar viele nicht gern, weil man die Schattenseiten der Industrialisierung sieht, aber man darf den Entscheidungsträger*innen in Afrika nicht das Recht absprechen, ihre eigene Linie zu finden.
TT: Wir bedanken uns für das Gespräch!
Ujamaa wird oft mit Afrikanischem Sozialismus gleichgesetzt. Der Begriff bezeichnet ein von Julius Nyerere, dem ersten Präsidenten Tansanias, geprägtes Gesellschaftsmodell, das in Tansania bis 1985 Anwendung fand.
veröffentlicht in Talktogether Nr. 81/2022
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