Gespräch mit Monika Pink-Rank, VielfaltsAgentin PDF Drucken E-Mail

Gespräch mit Monika Pink-Rank

Erwachsenenbildnerin und VielfaltsAgentin


Foto: Bernhard Müller

TT: Wie bist du dazu gekommen, dich mit den Themen Migration und Vielfalt zu beschäftigen?

Monika: Ich habe Fremdsprachen, Französisch und Russisch, studiert und war im Zuge meines Studiums viel im Ausland. Ich habe in Frankreich, in Moskau und nach dem Studium ein halbes Jahr in Dänemark gelebt. Ins Ausland zu gehen und anderen Kulturen zu begegnen war für mich immer sehr positiv besetzt, und ich habe es mit Neugierde und großem Interesse betrieben. Auch in meinem Berufsleben habe ich es immer als bereichernd empfunden, in internationalen Kontexten zu arbeiten. Meine Auslandserfahrungen habe ich jedoch immer in der Rolle als privilegierte Studentin oder Berufstätige gemacht, die durch Programme gut begleitet und aufgehoben war.

Die Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015 hat mich sehr aufgerüttelt. Da mir das gute Zusammenleben zwischen Menschen verschiedener Kulturen immer ein Anliegen war, war es mir auch wichtig, auf Demos zu gehen und gegen Ausländerfeindlichkeit aufzutreten. Als ich dann eines Tages zufällig gesehen habe, dass von der Universität Salzburg in Zusammenarbeit mit St. Virgil der Lehrgang Migrationsmanagement angeboten wurde, habe ich spontan und aus einem Bauchgefühl heraus gewusst, dass das genau das Richtige für mich ist. Ich habe das Programm und die Themen gesehen und wollte mehr darüber erfahren. Ich wollte Hintergründe wissen, um den ganzen Vorurteilen, Stammtischparolen und der Diffamierung anderer Menschen mit Wissen und Fakten entgegentreten können.

Im Zuge des Studiums habe ich dann beschlossen, dass ich mich auch beruflich in diese Richtung verändern möchte. Ich war lange Zeit im PR-Marketingbereich immer auch mit internationalen Aspekten tätig. Ich wollte aber da, wo ich lebe, etwas dazu beitragen, dass die Menschen gut zusammenleben. Interkulturalität spielt sich ja nicht nur dort ab, wo international zusammenarbeitet wird, auch hier leben Menschen unterschiedlicher Kulturen und arbeiten in einem Betrieb zusammen. Und so habe ich mich immer mehr mit den Themen des Diversity-Managements auseinandergesetzt und beschlossen, mich als Beraterin und Trainerin selbständig zu machen, um einerseits Bewusstsein für Diversität zu schaffen, aber auch um ganz konkrete Projekte und Programme in Unternehmen und Organisationen zu begleiten, die das Ziel haben, die Zusammenarbeit besser gestalten.

TT: Auf deiner Homepage hast du geschrieben, dass du auch durch deine ehrenamtlichen Tätigkeiten Handlungsbedarf im Diversity Management erkannt hast. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Monika: Ich war ehrenamtlich acht Jahre lang Vorsitzende des Vereins Akzente Salzburg, der für die außerschulische Jugendarbeit im Bundesland Salzburg zuständig ist. Gerade unter den jungen Menschen gibt es viele, die Migrationsgeschichte haben. Ein Thema, das mir am Herzen liegt, ist die Partizipation und die Einbindung dieser Menschen in die Gesellschaft. Wie ich begonnen habe, mich mit dem Thema Staatsbürgerschaft und Einbürgerung zu beschäftigen, ist mir klar geworden, wie viele Menschen es gibt, die hier leben, aber nicht mitbestimmen dürfen. Das finde ich sehr ungerecht. Über die Erfahrungen in bei meiner ehrenamtlichen Tätigkeit ist in mir das Bedürfnis gewachsen, auch in meiner beruflichen Tätigkeit einen gesellschaftlich relevanten Beitrag zu leisten.

TT: Du bezeichnest dich als Vielfaltsagentin. Was ist darunter zu verstehen?

Monika: Einerseits möchte ich auf die Vielfältigkeit unserer Gesellschaft hinweisen und den Leuten die Augen dafür öffnen. Ich möchte den Menschen, die in Unternehmen die Entscheidungen treffen, dafür sensibilisieren, dass unterschiedliche Gruppen aufgrund ihrer Lebenssituation, aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Alters spezielle Bedürfnisse haben. Ich möchte sie dazu anregen, darüber nachzudenken, wie jene Menschen gefördert werden könnten, die bisher nicht so viele Chancen hatten. Es geht auch darum, wie Unternehmen kommunizieren, wie Vielfalt dargestellt wird und in welche Fettnäpfchen man treten kann. Ich selbst bin für viele Facetten zum Thema Vielfalt offen. Ich fokussiere mich nicht nur auf das Thema Behinderung oder auf das Thema Geflüchtete. Vielfalt hat viele Aspekte und ich sehe mich dabei als Generalistin. Und der Begriff Agentin drückt für mich etwas Geheimnisvolles aus, als Agentin habe ich verschiedene Dinge im Repertoire, auch Überraschendes und Humorvolles – und so sehe ich mich als Agentin im Dienste der Vielfalt.

TT: Was braucht es, damit sich Menschen entfalten können und die Gesellschaft von Diversität profitieren kann?

Monika: Hier gibt es zwei Ebenen. Einerseits die individuelle Ebene: Bei den Menschen braucht es eine offene Haltung und Wertschätzung der Diversität gegenüber. Dazu ist es zuerst einmal notwendig, Diversität überhaupt wahrzunehmen, das eigene Weltbild kritisch hinterfragen zu können und im Anderen das Gemeinsame und Wertvolle zu erkennen. Aber damit Ungleichheiten beseitigt werden können und alle Menschen sich entfalten können, braucht es auch auf struktureller und rechtlicher Ebene ganz viele Verbesserungen, und zwar überall: Im Schulsystem sowie in allen Bereichen, in denen Menschen benachteiligt werden und nicht dieselben Zugangsmöglichkeiten haben. Das kann das Individuum nicht allein leisten, hier ist die Politik gefordert und die Gesellschaft an sich. In einem Unternehmen sind es die Führungskräfte und Entscheidungsträger*innen, aber es geht auch um Prozesse und Abläufe, weil es auch hier viele Stolper-steine gibt, so dass manche Menschen übersehen werden und nicht dieselben Möglichkeiten bekommen.

TT: Was hat dich bewogen, dich selbständig zu machen?

Monika: Einerseits möchte ich die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, welche Projekte ich machen möchte und welche nicht, was ich ausprobieren will und was nicht. Außerdem gibt es in diesem Bereich nicht viele Berufsmöglichkeiten. Ursprünglich habe ich erwartet, dass es vor allem bei öffentlichen Stellen Bedarf gibt, aber dort fehlen meist die Fördermittel. Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass sich im Unternehmensbereich mehr Möglichkeiten auftun und hier auch Gelder vorhanden sind, die im öffentlichen Bereich fehlen. Da vielen Unternehmen die Arbeitskräfte ausgehen, müssen sie auf Gruppen zugehen, die sie bis jetzt ausgeblendet haben. Es gibt aber auch Unternehmen, die eine so heterogene Belegschaft haben, dass sie Hilfestellung benötigen, um diese Vielfalt gut zu managen, weil nicht mehr alle so gleich ticken, wie sie es gewohnt waren.

TT: Richten sich deine Angebote nur an Unternehmen?

Monika: Meine Beratungsangebote richten sich vor allem an Unternehmen und Organisationen, mit meinen Workshops spreche ich aber auch den Sozialbereich an, weil ich meinen Fokus auch auf ein Thema richte, das sich Anti-Bias nennt und sich mit der Entstehung von Vorurteilen beschäftigt. Als Unconscious Bias werden unbewusste Denkmuster bezeichnet, die wir alle haben, ob wir es wollen oder nicht. Es geht darum, diese Denkmuster zu erkennen und zu vermeiden, dass wir damit Diskriminierungen und Ungleichheiten am Leben erhalten.

TT: Welche Methoden wendest du in deinen Workshops an?

Monika: Meine Workshops und Trainings bestehen aus Übungen, Spielen und Simulationen, sie sind immer sehr interaktiv und bieten die Möglichkeit zum Ausprobieren und zum gemeinsamen Reflektieren. Wir fragen uns zum Beispiel: Wie empfinde ich eine Situation? Was löst ein bestimmtes Verhalten in mir aus? Wie geht es mir, wenn ich irgendwohin komme, wo ich die Gepflogenheiten nicht kenne?

TT: Wie werden deine Angebote angenommen?

Monika: Ich bekomme oft die Rückmeldung, dass die meisten Schulungen sehr inhaltsbezogen sind und vortragsmäßig ablaufen, und dass die dabei Leute wenige Möglichkeiten haben, zu reflektieren und sich auszutauschen. Ich dagegen möchte zeigen, dass es auch Spaß machen und humorvoll sein kann, sich in einer guten Atmosphäre einem handfesten Thema anzunähern. Das ist für viele zwar ungewohnt, wird von den meisten Teilnehmer*innen aber sehr positiv aufgenommen. Ich habe den Eindruck, dass die Leute in meinen Workshops sehr motiviert sind und dass einigen die Augen geöffnet worden sind für Themen, die sie vorher nicht auf dem Schirm gehabt haben.

TT: Wie kann den Vorurteilen und Vorbehalten begegnet werden, die die Menschen auseinanderbringen?

Monika: Je nachdem, welche Fragen ich stelle, erkenne, ich was ich mit einem Menschen gemeinsam habe, auch wenn ich auf den ersten Blick meine, dass mich mit ihm gar nichts verbindet. Jeder einzelne Mensch ist so facettenreich, dass ich mit jedem und jeder irgendwo eine Gemeinsamkeit herstellen kann. Es kommt auf den Blickwinkel an, ob ich das Gemeinsame oder ob ich das Trennende in den Vordergrund stelle, und ob ich für das Trennende dann auch noch eine andere Kultur verantwortlich mache. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Menschen im privaten und individuellen Bereich recht gut mit Unterschiedlichkeiten umgehen können, dass diese Bereitschaft aber oft kippt, wenn es um eine gesellschaftliche Ebene geht und man Gruppen oder Vertreter*innen von Gruppen vor sich hat. Diesen Gegensatz aufzuzeigen ist mir wichtig.

TT: Inwiefern kannst du Menschen im Arbeitsbereich unterstützen?

Monika: Meine Angebote sind einerseits die Workshops, andrerseits unterstütze ich Firmen beim Auf- und Umsetzen von Programmen, zum Beispiel wenn es um die Frage geht, wie für Menschen aus dem Ausland der Einstieg gut gestaltet werden kann und wie wir sie begleiten können, damit sie sich zurechtfinden. In einem anderen Projekt geht es darum, in einem Unternehmen interkulturelle Vermittler*innen aus dem Team heraus zu installieren. Dann überlege ich gemeinsam mit der Firma: Wie werden sie ausgebildet? Was muss ihnen zu Verfügung gestellt werden, damit sie dies Tätigkeit ausüben können? Welche Aufgaben haben sie und wie sollten sie dabei unterstützt werden?

TT: Mit welchen Hürden bist du konfrontiert?

Monika: Strukturelle Hürden gibt es fast in allen Vielfaltsdimensionen: Zwischen Frauen und Männern, wenn es Menschen mit Behinderung geht, oder um Alter, sexuelle Orientierung, Ethnizität und Religion. In all diesen Bereichen gibt es strukturelle Benachteiligungen und Diskriminierung, selbst dann, wenn es gesetzlich gute Regelungen gibt, diese aber auf gesellschaftlicher Ebene nicht umgesetzt werden. Hier gilt es, Bewusstsein für diese Benachteiligungen und Möglichkeiten der Begegnung zu schaffen. Und wenn wir es mit Leuten zu tun haben, die unterschiedliche Ansichten haben, geht es darum, sich auf einen gemeinsamen Rahmen und gemeinsame Regeln zu einigen.

TT: Was sind deine guten und deine weniger guten Erfahrungen?

Monika: Es ist für mich jedes Mal ein tolles Erlebnis, wenn ich den Teilnehmer*innen in meinen Workshops zu einem Aha-Erlebnis verhelfen kann, wenn ich merke, dass sie anfangen, etwas wahrzunehmen, was ihnen vorher nicht aufgefallen ist. Natürlich gibt es immer auch Personen, denen es schwerfällt, einen Perspektivenwechsel zu vollziehen, aber damit muss ich leben, denn mir ist klar, dass ich die Welt nicht durch Seminare und Workshops verändern kann.

TT: Möchtest du noch etwas ergänzen?

Monika: Abseits von meinem beruflichen Leben gibt es immer wieder Themen aus dem Alltag, von Expert*innen, aus Medien und Kunst, die ich aufgreife und zu denen ich meine Meinung kundtun möchte. Diese Themen bearbeite ich auf meinem Blog: www.vielfaltsagentin.at. Auf der beruflichen Ebene würde ich mich gern als Anlaufstelle für Vielfaltsthemen in Salzburg sehen. Und wenn ein Problem zu speziell ist, um es allein anzugehen, weiß ich, wo ich Unterstützungsangebote finden und mit wem ich zusammenarbeiten kann.


veröffentlicht in Talktogether Nr. 81/2022

 

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