STARKE FRAUEN ORGANISIEREN SICH
Erzählcafe und Fest zum Internationalen Frauentag am 8. März 2024
Sie sind ausgebildete Ärztinnen und Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen, Dolmetscherinnen, Krankenpflegerinnen, Juristinnen, Psychologinnen und Künstlerinnen. Gemeinsam haben sie, dass sie nicht in Österreich geboren sind, sondern aufgrund von Krieg, Gewalt, Verfolgung oder fehlender Perspektiven ihre Herkunftsländer verlassen mussten. Durch große Anstrengungen haben diese Frauen es geschafft, hier Fuß zu fassen und sich beruflich zu etablieren. Die meisten haben Kinder, manche sind Alleinerzieherinnen. Trotzdem engagieren sich einige von ihnen neben ihrer Berufstätigkeit und der häuslichen Care-Arbeit für jene, die den schwierigen Weg noch vor sich haben, oder denen dieser Weg schwerer fällt als ihnen, weil sie in ihren Herkunftsländern keine Chance auf Bildung hatten.
Anlässlich des diesjährigen Frauentages haben wir beschlossen, diese starken und engagierten Frauen auf die Bühne zu holen und der Öffentlichkeit vorzustellen. Deshalb haben wir sieben Frauen aus unterschiedlichen Vereinen und Communities eingeladen, damit sie Interessierten über ihre Arbeit, ihre Ziele und ihre Erfahrungen erzählen. Von ihnen wollten wir aber auch erfahren, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert sind, und welche Art von Unterstützung ihnen die Arbeit erleichtern würde. Wir, das sind das ABZ – Haus der Möglichkeiten, die Drehscheibe Integration (ein Projekt von Frau und Arbeit) und der Verein Talktogether – eine Kooperation, die sich bereits in den letzten Jahren als sehr fruchtbar erwiesen hat. Mit dabei war auch wieder das KECK-Kinderfreunde-Team, das mit seinem Kinderprogramm wesentlich dazu beigetragen hat, dass sich die Frauen möglichst ungestört an den Diskussionen beteiligen konnten.
Freiwillige oder unbezahlte Arbeit?
Oft wird über ehrenamtliche Arbeit geredet – Arbeit, deren Lohn nur die „Ehre“ ist. Meist verbindet man damit rüstige Pensionisten und Pensionistinnen, die ein sinnstiftendes Betätigungsfeld suchen. Frauen mit Migrationshintergrund werden üblicherweise eher der Gruppe der Empfängerinnen dieser Hilfe zugeordnet. Wie einseitig diese Sichtweise ist, haben die eingeladenen Frauen bewiesen. Mit ihren vielfältigen fachlichen und inter- kulturellen Kompetenzen sowie durch ihre beruflichen und persönlichen Erfahrungen, verfügen sie über ein enormes Repertoire, mit dem sie einen unverzichtbaren Beitrag für das funktionierende Zusammenleben in unserer Gesellschaft leisten können. Einerseits engagieren sich die Frauen in typischen Feldern der Sozialen und der Integrationsarbeit, wobei ihnen die eigenen Erfahrungen, ihre Sprachkenntnisse und das Wissen über kulturelle Eigenheiten zugutekommen. Die Hilfe kommt daher direkt und bedarfsorientiert an. Außerdem gelingt es ihnen als Role Models besonders gut, Menschen in ihren Communities zu erreichen und zu motivieren.
Es hat sich aber auch gezeigt, dass Community-Vereine nicht nur die Förderung ihrer Kultur abseits ihrer Heimat zum Ziel haben, sondern sehr an verbindenden Maßnahmen mit der Mehrheitsgesellschaft interessiert sind. Zum Beispiel sind sie im Kulturbereich tätig, um die Vielfalt in unserer Stadt sichtbar zu machen und Brücken zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu bauen. Dass diese wichtige Arbeit meist „ehrenamtlich“ geleistet wird, ist jedoch meist weniger eine bewusste Entscheidung der Frauen, sondern der fehlenden finanziellen Unterstützung und gesellschaftlichen Anerkennung geschuldet.
Die Referentinnen:
- Sedija Fetic: Verein Kontakt BiH
- Maysaa Hammoud: Arabischer Kulturverein Marhaba
- Hayat Moossa: Verein Infinity Bridge
- Mecbure Yozgat: ehemaliger Verein Akasya
- Rosina Danso: Ghana Union, Organisation Afrikafest
- Selma Ali Ahmed: somalische Frauengruppe, FGM-Projekte
- Fateme Rezaee: Verein „Salzburger Brücken – Brücken zwischen den Kulturen“
Die Gespräche:
Nachfolgend wollen wir über zwei Erzähltische berichten, an denen unserer Meinung nach sehr wesentliche Themen diskutiert worden sind. Der eine ist der von Hayat Moossa, die beruflich im Bereich der Berufsberatung tätig ist und den Verein „Infinity Bridge“ gegründet hat. Hier kreiste das Gespräch sehr lange um das Thema Kinderbetreuung. Damit wurde einmal mehr aufgezeigt, dass es für Frauen, die arbeiten wollen und müssen, eine riesige Herausforderung ist, eine passende Betreuung für ihre Kinder zu finden, wenn sie hier keine familiäre Anbindung (z.B. Großeltern) haben. Es kann nicht oft genug betont werden, wie sehr die fehlende Kinderbetreuung die Frauen behindert und unter Druck setzt, und wie wichtig die Lösung dieses gesamtgesellschaftlichen Problems ist.
Hayat Moossa betonte, dass der Verein „Infinity Bridge“ keine Anlaufstelle nur für Menschen aus dem kurdisch-arabischen Raum sondern offen für Menschen aller Nationalitäten ist, und sich die Förderung der Begegnung zwischen den Kulturen zum Ziel gesetzt hat. Da die Nachfrage für Begleitungen bei der Arbeits- und Wohnungssuche oder bei Amtswegen (Laien-Dolmetsch), die Unterstützung bei der Suche nach Deutschkursen und die Vermittlung von Rechtsbeistand so groß ist, bleiben dem Freiwilligennetzwerk, auf das der Verein zurückgreifen kann, kaum noch Kapazitäten für kulturelle Aktivitäten. Eine unkomplizierte Fördermöglichkeit, um auch bezahlte Arbeitsplätze – vor allem im Bereich der Verwaltung – finanzieren zu können, würde dem Verein die Arbeit wesentlich erleichtern.
Der zweite Tisch, den wir hier vorstellen, ist der von Fatemeh Rezaee vom Verein „Salzburger Brücken“. Ihr Resümee: „Am internationalen Frauentag hatten wir die besondere Gelegenheit, an unserem Tisch eine inspirierende Versammlung von Frauen zu begrüßen, die erst kürzlich in Salzburg angekommen sind. Diese Begegnung war für uns alle eine Bereicherung, denn sie brachten eine Vielzahl von Fragen darüber, was unser Verein ihnen bieten könnte und wie sie sich aktiv einbringen können. Diese Frauen teilten uns ihre vielfältigen Ideen und Bedürfnisse mit. Sie äußerten konkrete Vorschläge, was für sie in dieser neuen Phase ihres Lebens hilfreich und unterstützend wäre. Es wurde deutlich, dass diese Frauen eine starke Bereitschaft mitbringen, sich in die Aktivitäten unseres Vereins einzubringen und einen Beitrag zu leisten. Gleichzeitig suchen sie nach Wegen, wie sie Unterstützung erhalten können, um die Herausforderungen der Integration erfolgreich zu meistern. Danke für diese Gelegenheit und das tolle Programm!“
Schwierigkeiten und Lösungsvorschlage:
Die konkreten Ergebnisse der Diskussionen an ihrem Tisch fasst Fatemeh Rezaee wie folgt zusammen:
- Bedürfnisse: Informationen über lokale Dienste wie Bildung und Gesundheit, Sprachunterstützung, die Möglichkeit mit anderen Frauen zusammenzutreffen und Netzwerke aufzubauen, Unterstützung bei der Jobsuche und Informationen über Fortbildungskurse, Programme, die ihnen die lokale Kultur näherbringen.
- Ideen: Integrationsworkshops und Informationsveranstaltungen zu Themen wie Sprachunterricht, lokale Dienste, Regelmäßige Kultur- und Gemeinschaftsevents zum Austausch und Kennenlernen verschiedener Kulturen.
Dass die Arbeit in den Vereinen meist ohne Bezahlung geleistet und deshalb neben dem Beruf ausgeübt werden muss, bringt die Frauen oft an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Leider ist die Antragsstellung für Förderungen kompliziert, zeitaufwändig und für kleinere Vereine kaum zu bewältigen. Zudem ist es in Salzburg sehr schwierig und teuer, ein Vereinslokal zu mieten, weshalb auf kostenlose bzw. kostengünstige Angebote (wie BWS-Stellen, ABZ – Haus der Möglichkeiten) zurückgegriffen werden muss, was jedoch eine kontinuierliche Beratungs- und Unterstützungstätigkeit schwierig macht. Ein niederschwelliges Fördersystem könnte zweifellos dazu beitragen, dass die vorhandenen Ressourcen besser genutzt werden können.
Ein weiteres Thema, das zur Sprache gekommen ist, war, dass in manchen Vereinen die Frauen in erster Reihe stehen, wenn es um notwendige Arbeiten geht, sich Männer aber eher darum bemühen, Funktionen einzunehmen.
Es war zu erkennen, dass die vielseitigen Kompetenzen der anwesenden Frauen zusammen mit ihren Sprachkenntnissen sehr wertvolle Ressourcen sind, die oft brach liegen, weil die Frauen allein kämpfen müssen, um ihren Alltag zu meistern. Wäre es möglich, diese Ressourcen zu bündeln, könnten die Frauen sehr wichtige Aufgaben für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft leisten. Dafür braucht es jedoch Unterstützung, Förderung sowie die gesellschaftliche Anerkennung für die Leistungen, die diese Frauen erbringen.
Nach den Diskussionen an den Erzähltischen wurden die Anwesenden mit Präsentationen über die aktuellen Kämpfe der Frauen im Iran sowie über die Entwicklung der Frauenbewegung in Österreich seit ihren Anfängen in der Mitte des 19. Jahrhunderts informiert. Anschließend trug die aus Sarajewo stammende Sängerin Tatjana Novakov ihre berührenden Lieder vor. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch die Ausstellung der farbenfrohen Bilder der russischen Feministin und Märchenforscherin Anna Natalia Malachowskaya. Nach dem inhaltlichen Teil der Veranstaltung hatten die Frauen die Gelegenheit, sich beim gemeinsamen Essen auszutauschen, Pläne zu schmieden und zu Musik aus aller Welt zu tanzen.
Wir sehen die positiven Rückmeldungen unserer Referent*innen und unserer Gäste als Bestätigung für die Bedeutsamkeit des gewählten Themas und als Auftrag an, uns weiter damit auseinanderzusetzen und weitere Veranstaltungen dazu zu planen. Ein wünschenswertes Ergebnis könnte ein multikulturelles Frauennetzwerk in Salzburg sein, welches die Arbeit in den verschiedenen Communities unterstützt. Unser Dank richtet sich an alle, die zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben. Bedanken möchten wir uns insbesondere bei allen fleißigen Helfern und Helferinnen, die sich um die Verpflegung und das Aufräumen gekümmert haben, beim KECK-Kinderfreunde-Team für die Organisation der Kinderbetreuung sowie bei Stadt und Land Salzburg für die finanzielle Unterstützung.
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