Die Reichen, Marlene Engelhorn und der Kapitalismus PDF Drucken E-Mail

Die Reichen, Marlene Engelhorn

und der Kapitalismus

Dass man durch harte Arbeit reich wird, ist ein Märchen. Reich wird man nicht, reich ist man. Heute tritt der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit immer stärker zutage, und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ist nicht zu übersehen. Ist Umverteilung mittels Vermögenssteuern eine Lösung, um diese immer größer werdende Kluft zu überbrücken?

Nirgendwo in Europa ist das Vermögen ungleicher verteilt als in Österreich. Auf unterhaltsame Art informierten Barbara Blaha vom Momentum Institut und Willi Merny, Bundesgeschäftsführer des ÖGB und Vorsitzender des Mauthausen Komitees, das Salzburger Publikum im Brunauer Zentrum mit Diagrammen und Zahlen über diese Ungerechtigkeit: Knapp die Hälfte des Vermögens ist im Besitz des obersten Prozents, während sich die restlichen 99 Prozent der Bevölkerung mit dem Rests abfinden müssen. Oft wird von Leistungsträgern gesprochen, doch mit Leistung hat dieser Reichtum wenig zu tun. Die Vortragenden rechneten vor, dass es selbst bei einem guten Einkommen völlig unmöglich ist, durch Lohnarbeit so ein Vermögen anzuhäufen. Den meisten Reichen wurde das Geld bereits in die Wiege gelegt, und das seit Generationen. Einer Studie aus Florenz zufolge stammen die heutigen Spitzenverdiener sogar aus Familien, die bereits im 15. Jahrhundert reich waren.


Quelle: Momentum Institut - momentum.at

Geld bedeutet Macht. Vermögende besitzen Immobilien, in denen arbeitende Menschen wohnen und für die sie Mieten oder Kredite zahlen müssen. Ihnen gehören Unternehmen, in denen sie bestimmen, welche Waren zu welchen Bedingungen produziert werden, sowie Medienhäuser, in denen sie mitreden, was an die Öffentlichkeit kommt. Sie spenden an Parteien und üben Einfluss auf die Politik auf EU-, Bundes-, Landes- und Gemeindeebene aus. So nutzen sie ihren Einfluss, um die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen zu gestalten und dafür zu sorgen, dass das Geld dort bleibt, wo es ihrer Meinung nach hingehört.

Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, spüren wir täglich. Das ist in Österreich so und auf der ganzen Welt. Laut der Hilfsorganisation Oxfam hat sich das Vermögen der fünf reichsten Männer seit 2020 mehr als verdoppelt, während in derselben Zeit fünf Milliarden der ärmsten Menschen weltweit Vermögen in Höhe von 20 Milliarden Dollar verloren haben. Der immense Reichtum, der sich in so wenigen Händen ansammelt, kann jedoch von den Reichen – bei all dem Luxus, den sie sich leisten – nur zum allerkleinsten Teil verprasst werden. Warum sind die Reichen dennoch bereit, den sozialen Frieden zu riskieren, und wehren sich so hartnäckig dagegen, einen Teil ihres Vermögens an die Gesellschaft zurückzugeben? Warum arbeiten sie mit solchem Nachdruck an der Zerstörung des Sozialsystems und des Gesundheitswesens? Ist es ihre Ignoranz, wie die Vortragenden meinen, weil sie in einer abgeschotteten Parallelgesellschaft leben und keine Ahnung von den Lebensbedingungen der Mehrheit haben?

Millionenerbe zu verschenken

In dieser Situation tritt die Millionenerbin Marlene Engelhorn in die Öffentlichkeit und verkündet, dass sie ihr Erbe verschenken will, und erntet dafür viel Lob und mediale Aufmerksamkeit. Die Nachfahrin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn ist nämlich der Meinung, dass sie das ererbte Vermögen gar nicht verdient habe, da sie nichts dafür geleistet hat. Weil sie aber nicht wie andere Vermögende als gönnerhafte Spenderin auftreten möchte, hat sie ein Gremium mit dem Namen "Guter Rat für Rückverteilung" ins Leben gerufen, dessen Mitglieder durch das Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Dieser Rat soll auf demokratische Weise bestimmen, wohin die 25 Millionen gehen, die Engelhorn der Gesellschaft zurückgeben will.

Marlene Engelhorn sagt, dass sie mit dieser Aktion eine Diskussion über die ungerechte Verteilung des Reichtums anregen möchte. Hinter großen Vermögen stehen stets "Geschichten des Raubs, der Ausbeutung und der Vernichtung", so Engelhorn. Und wenn Verteilungskämpfe in die Mittelklasse und das Prekariat verlegt werden, wie das durch die rassistische Hetze gegen Zugewanderte passiert, helfe das nur dabei, die Macht der Reichen zu verschleiern und ihre Vormachtstellung zu festigen. Weil die Anhäufung des Reichtums in wenigen Händen die Demokratie gefährdet, tritt Engelhorn für Vermögenssteuern und den Ausbau des Sozialsystems ein, ebenso wie andere Vermögende im deutschsprachigen Raum, die sich zur Initiative "taxmenow" zusammengeschlossen haben.

Die Ideen zur Umverteilung sind gut gemeint und die Motive ihrer Verfechter*innen ehrenwert. Vermögenssteuern wieder ein-zuführen, um das Geld ins Sozial-, Gesundheits- und Bildungs-system zu investieren, klingt für viele Menschen nach einen guten Plan. Dennoch wird die grundsätzliche Problematik dabei nicht berührt, erfolgt die Forderung nach einer höheren Besteuerung doch erst, nachdem das Geld bereits von unten nach oben umverteilt wurde. Sollten wir uns nicht auch die Frage stellen, warum sich eine kleine besitzende Klasse den ganzen Reichtum, der von den arbeitenden Menschen der Welt Tag für Tag erzeugt wird, in einem so großen Maß aneignen kann?

Arbeit und Kapital

Zuerst müssen wir uns die Frage stellen, wer die Reichen sind und woher ihr Reichtum stammt. Abgesehen von ein paar Lotto-Millionären kann es sich dabei nur um Leute handeln, die entweder direkt oder indirekt Profit aus der Arbeit der Werktätigen ziehen oder die das Resultat dieser Ausbeutung geerbt haben. Ein Anteil davon fällt dann vielleicht noch für jene Personen ab, die – wie es Thomas Schmid so treffend bezeichnet hat – als "Huren der Reichen" dem Kapital dienen.

Da nur die menschliche Arbeit in der Lage ist, mehr Wert zu produzieren, als sie selbst kostet, kann Mehrwert nur aus lebendiger Arbeit erwachsen, und nicht aus Maschinen. Das Verhältnis von Arbeit und Kapital ist ein Produktionsverhältnis: Die einen bringen sich mit ihrer Arbeitskraft ein, die andern mit ihrem Kapital und ihren Produktionsmitteln. Arbeit und Kapital sind somit aufeinander angewiesen. Doch da im Kapitalismus Kapital und Produktionsmittel privates Eigentum sind, und die Arbeit Lohnarbeit ist, haben die Kapitalbesitzer mehr Macht als die Lohnabhängigen, die nichts anderes als ihre Zeit und ihre Arbeitskraft zur Verfügung haben, um sie zu Markte zu tragen.

Gier, Arroganz oder die Gesetze des Kapitalismus?

Oft wird behauptet, dass maßlose Gier schuld an der auseinanderklaffenden Einkommensschere sei. Die Triebkraft der kapitalistischen Wirtschaftsweise ist aber nicht die Schatzbildung, sondern das Streben nach Maximalprofit, so wie die Verwertung des Kapitals ihr einziger Zweck ist. Um weiterhin Profite machen zu können, brauchen die Kapitalbesitzer Wachstum. Wachstum aus ihrer Sicht bedeutet aber nicht höhere Löhne, mehr Arbeitsplätze oder eine Verbesserung des Sozial- und Bildungssystems. Wachstum in ihrem Sinne bedeutet einzig und allein Wachstum der Kapitalverwertung und des Profits.

Der Trieb nach grenzenloser Vermehrung des Reichtums ist also ein vom Willen des einzelnen Kapitalisten unabhängiges Gesetz. Um im Konkurrenzkampf zu bestehen, muss der Kapitalist danach trachten, die Produktivität durch Rationalisierungen und technische Neuerungen zu erhöhen. Auch wenn diese Investitionen kurzzeitig eine positive Wirkung auf das Einzelkapital zeigen, sinkt dadurch auf Dauer die Profitrate des Gesamtkapitals. So untergraben sich die Kapitalisten selbst die Basis der Mehrwertproduktion. Ihre Gegenstrategie liegt in der Steigerung der Ausbeutung der Arbeiterklasse sowie in der Ausplünderung der natürlichen Ressourcen vor allem in neokolonial abhängigen Ländern. Um den Fall der Profitrate zu bremsen, führt die Kapitalistenklasse also verschärfte Ausplünderungsfeldzüge nach innen und außen. Eine Folge der Verschärfung der imperialistischen Konkurrenz ist die verstärkte Kriegsgefahr, mit der wir heute konfrontiert sind.

Nur Investitionen in die "Realwirtschaft" ermöglichen kapitalistisches Wachstum, weil nur dort Mehrwert produziert werden kann. Da aber weltweit viel mehr produziert wird als gewinnbringend abgesetzt werden kann, wird es immer schwieriger, mit Investitionen in die "Realwirtschaft" die von den "Märkten" des Geldkapitals geforderten Profite zu machen. Viele Kapitalisten investieren deshalb weniger in die Warenproduktion als in die Finanzsphäre. Bei dieser Art von Profiten kann es sich nur um die Aneignung fremden Mehrwerts handeln, den man anderen Kapitalisten abjagt, oder um den Vorgriff auf einen Mehrwert, der erst in der Zukunft produziert werden muss.

"Das Geschäftsmodell Benkos ist die zweite Sünde an der Jugend nach der Klimakatastrophe. Das ist so wie der sorglose Umgang mit den Ressourcen des Planeten. Ich entziehe der Zukunft die Gewinne, die noch gar nicht gemacht wurden, und transferiere sie in die Gegenwart. Unsere Bodenressourcen und unsere Geldressourcen werden unter wenigen aufgeteilt und anderen entzogen, das ist eine soziale Frage von erheblicher Bedeutung." (Wolfgang Peschorn, ZIB2-Interview am 3.1.2024)

Das eigentliche Problem liegt also weniger in der Gier und der Ignoranz der Reichen als in den Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Deshalb werden wir Herausforderungen wie der Klimakrise und der sich stetig vergrößernden Kluft zwischen Arm und Reich nicht allein mit einer Umverteilung durch Steuern begegnen können, ohne die herrschenden Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen.Vermögenssteuern können sinnvoll sein, aber nur dann, wenn sie Bestandteil einer umfassenden Strategie sind, um die schwerwiegenden Probleme zu bewältigen, mit denen wir heute konfrontiert sind.

ARBEITNEHMER ODER ARBEITGEBER?
A:
"Ich verstehe nicht, warum arbeitende Menschen als Arbeitnehmer bezeichnet werden. Wenn sie etwas nehmen, dann den Lohn, doch ihre Arbeit geben sie! Und warum nennt man den, der durch unsere Arbeit Profite macht, Arbeitgeber?"
B: "Ohne Arbeitgeber haben wir keine Arbeit. Er setzt sein Kapital ein und geht ein Risiko ein, damit wir Arbeit haben."
A: "Ist der Arbeitgeber etwa ein gnädiger Herr, der uns etwas schenkt? Er schießt doch sein Geld nur vor, weil er sich Profite erhofft. Wir dagegen müssen unsere Arbeitskraft verkaufen, um zu überleben. Das Produkt, das wir erzeugen, gehört uns aber nicht. Wir bekommen nur einen Teil des Werts, den wir mit unserer Arbeit schaffen, in Form von Löhnen ausbezahlt. Der Rest bleibt beim Unternehmer, der damit sein Kapital vermehrt. Doch die Person, die ihre Arbeit hergibt, heißt Arbeitnehmer*in, und die, die uns das Produkt unserer Arbeit wegnimmt, Arbeitgeber*in. Das ist doch verkehrt!"
B: "Aber dann erkläre mir doch bitte, warum selbst die Gewerkschaften diese Ausdrücke verwenden. Und warum bittet man die Arbeitgeber immer, in unserem Land zu investieren? Wir sind doch auf sie angewiesen, damit sie Arbeitsplätze schaffen. Dafür sollten wir dankbar sein, denn ohne Arbeitsplätze haben wir weder Lohn noch Brot."
A: "Wenn Gewerkschaften so sprechen, heißt das nur, dass sie das System akzeptieren. Aber wofür sollten wir dankbar sein? Fabriken ohne Arbeiter*innen funktionieren nicht. Dass sie ohne Chefs aber sehr gut funktionieren können, beweisen selbstverwaltete Betriebe. Und woher haben die sogenannten Arbeitgeber überhaupt ihr Kapital und ihre Maschinen? Die sind doch nicht vom Himmel gefallen, sondern auch irgendwann erarbeitet werden. Ohne Arbeit entsteht gar nichts."
B: "Willst du damit sagen, dass uns alle Unternehmer nur ausbeuten und sich durch unsere Arbeit bereichern wollen?"
A: "Nein, ich weiß, dass es viele Betriebe gibt, deren Chefs selbst hart arbeiten und sich um das Wohl ihrer Mitarbeiter*innen kümmern. Mich stört aber, dass mit solchen Ausdrücken die tatsächlichen Verhältnisse verdreht werden."

veröffentlicht in Talktogether Nr. 88/2024

 

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